Junges TiV

„IHR LIEBEN, ALLZU WEIT ENTFERNTEN“

Briefe von Louise Jacobson an ihre Familie 1942–1943

© CS

Am 31. August 1942 wird die siebzehnjährige Louise Jacobson in Paris verhaftet, weil sie keinen Judenstern trägt. Nachdem sie sechs Wochen im Gefängnis Fresnes gemeinsam mit gewöhnlichen Kriminellen und Prostituierten festgehalten wird, kommt Louise am 14. Oktober nach Drancy, einem Sammellager für die französischen Juden, wo die Transporte in die Todeslager zusammengestellt werden. Am 13. Februar 1943 wird sie nach Auschwitz deportiert und dort gleich nach ihrer Ankunft in die Gaskammer geschickt, weil sie sich als Schülerin ausgibt.

Aus Fresnes und Drancy schreibt Louise an die Schwester, den Vater und die Schulfreundinnen, die gerade ihr Abitur machen. Zunächst scheinbar zuversichtlich, bald aber voller Ahnungen, daß es auf ihrem Weg kein Zurück gibt, versucht sie, die Familie aufzurichten und zu trösten. Sehnsüchtig fragt sie nach den Neuigkeiten aus der Schule und schildert minutiös den Tagesablauf im Lager. In ihrem letzten Brief hieß es: „Ich habe traurige Nachrichten, lieber Papa, nach meiner Tante bin ich an der Reihe fortzugehen. Aber das macht nichts, ich bin sehr zuversichtlich …“

Diese Briefe sind erschütternde Zeugnisse einer Liebe zu ihren Mitmenschen und einer Reife, die man einer Siebzehnjährigen nicht zutrauen würde und die wohl aus dem unmenschlichen Schicksal erwachsen. Mehr als elftausend jüdische Kinder sind während der deutschen Besetzung Frankreichs umgebracht worden. Die meisten von ihnen haben keinerlei Spuren hinterlassen, weil sie sofort nach ihrer Verhaftung nach Osten deportiert wurden. Die Briefe Louises, die trotz der Umstände von Optimismus und Lebensfreude geprägt sind, zeigen ihr Bemühen, daß ihre Lieben sich keine allzu großen Sorgen um sie machen.

Die Herausgeberin Nadia Kaluski-Jacobson ist die Schwester von Louise Jacobson. Sie hat während der deutschen Besetzung im frz. Widerstand gekämpft. Als Stimmen in Frankreich laut wurden, die den Holocaust leugneten, veröffentlichte sie die Briefe ihrer Schwester. Louise Jacobsons Briefe sind ein einzigartiges Dokument, durch das sie und die anderen toten Kinder aus einer achtzigjährigen Vergessenheit zu uns sprechen.

MITWIRKENDE
Es liest Christine Manami Münster-Domke, begleitet von Thorsten Gand am Piano

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